Mittelmaß macht Spaß – Ein Plädoyer für weniger Ehrgeiz

Größer, breiter, weiter so oder so ähnlich lautet die Devise in der heutigen Zeit. Leistung zählt und bringst du keine Leistung, dann zählst Du nicht. Zumindest nicht in der Wirtschaft. Deshalb streben viele nach Exzellenz und möchten die besten sein. Zu groß ist die Angst vor dem Abstieg. Und wenn schon nicht die besten, dann doch zumindest besser als der Nachbar. Ganz nach dem Motto mein Haus, mein Auto und meine hochbegabten Kinder.  Doch was wenn der Nachbar plötzlich befördert wird und seine Kinder auf die Privatschule schickt?

Der ständige Wettbewerb hat unsere Gesellschaft fest im Griff. Jeder steht mit jedem im Wettstreit. Überall muss ein Sieger hervorgehen. Auf dem Spielplatz geht es darum als bessere Eltern vom Platz zu gehen und in der Arbeit als letzter und somit fleißigster vom Büro nach Hause zu gehen. Und selbst unseren Kindern wird dieses sinnlose Prinzip schonungslos weitergegeben, denn ein Befriedigend ist das neue Nicht Genügend. Wirklich alle werden unter Druck gesetzt oder setzen sich selbst unter Druck – je nachdem.

Die Folge sind Überforderung, Schlaflosigkeit und eine chronische Unzufriedenheit. Ja selbst Kinder leiden heutzutage an dem vielbesagten Burnout Syndrom. Zeit für Spaß und Mittelmaß bleibt keine mehr.

Zu hohe Anforderungen machen uns und unsere Kinder krank. Wer ständig der Beste sein möchte in was auch immer, wird irgendwann mit Schrecken feststellen, es gibt immer eine oder einen der besser ist. Und selbst wenn man es schafft ganz oben zu stehen, dann ist die Luft da oben dünn. Erfolgreich und einsam kann es manchmal werden.

Am ärmsten dran sind die Kinder der erfolgshungrigen Eltern. Im Gegensatz zu Erwachsenen können diese ihr Ziel nicht frei wählen. Zu groß sind die Abhängigkeit und die Verlustangst. Kein Kind möchte seine Eltern enttäuschen. Deshalb heißt es stundenlang Klavier üben oder fünfmal die Woche zum Fußball-Training – aufgeben gilt nicht. Kinder dürfen das kompensieren das Eltern selbst nie erreicht haben.

Doch das Ziel die Nummer eins zu werden, führt nur zu oft zu Unzufriedenheit, entweder weil man das Ziel nie erreicht oder weil man das Ziel erreicht und Angst hat es wieder zu verlieren. In jedem Fall ist Stress ein dauerhafter Begleiter des Erfolgs.

Kurz gesagt, wir sitzen in der Leistungsfalle, Erwachsene gleichermaßen wie Kinder.

Bescheidenheit ist der neue Reichtum

Als ich ein Kind war, sorry jetzt muss ich einen kleinen Vortrag über die gute alte Zeit halten. Also – als ich noch ein Kind war, so in den 80er Jahren, hatte ich nicht viele Verpflichtungen. In der Schule musste ich durchkommen und dies war als Hauptschüler nicht sonderlich schwer. Und bei meinen Hobbys, die ich selbst gewählt hatte – Fußball, Schifahren und Schach spielen, sollte ich mitmachen und Spaß haben. Und weil die „Trainingsintervalle“ noch nicht so professionell waren, war auch noch genug Zeit für Blödsinn und Langeweile. Kurz gesagt ich Glücklicher hatte Spaß und eine glückliche Kindheit. Deshalb, Danke Mama und Papa, ihr habt Eure Sache richtig gut gemacht!

Ein wichtiger Grund, warum ich eine zufriedene Kindheit erleben durfte, war Bescheidenheit. Meine Eltern haben mich nie unter Druck gesetzt und ich durfte selbst meinen Grad der Einsatzbereitschaft wählen. Auch wenn ich von außen keinen sonderlichen Druck gespürt hatte, so war ich dennoch als Kind im Fußball enorm ehrgeizig. Ich wollte immer gewinnen. Ich ließ nie ein Training aus und habe immer alles gegeben. Dennoch hat dies nie zu Stress geführt oder zu überhöhtem Druck. Denn mein Ehrgeiz und meine Motivation kamen von innen. Ich hatte einfach Spaß am Fußball und die restlichen, nebensächlichen Angelegenheiten namens Schule konnten mir gemütlich den Buckel runterrutschen.

Ich gab mich zufrieden mit einem Genügend beim Musiktest, habe die eine oder andere Haus-Übung nicht gemacht oder hin und wieder, psst nicht weitersagen, die Schule geschwänzt. Dies alles konnte ich mir leisten, weil Leistung nicht zählte.

Wir bekamen als Kinder das Vertrauen und die Freiheit selbst zu entscheiden. Und ich habe mich in der Schule für das Mittelmaß entschieden. Das wichtigste war, mit so wenig Aufwand wie möglich einfach durchzurutschen. Ich habe mich entschieden bei dem Wettbewerb der besseren Noten nicht mitzuspielen. Während andere Kinder sich noch mit Hausaufgaben ärgerten oder sich auf einen Test vorbereiteten, habe ich schon wieder die Kugel rollen lassen. Ich war zwar arm an guten Noten aber reich an Zeit für meine Leidenschaft.

Und so wie ich mich damals für das Mittelmaß entschieden habe, so braucht es auch heute sowohl für die Kinder als auch die Erwachsenen eine bewusste Entscheidung für weniger. Denn der ständige Drang nach dem Besten und dem Perfekten zu streben, führt viele Menschen zu Unzufriedenheit.

Und das kann ja wohl nicht Sinn der Übung sein. Ein Alltag mit mehr Spaß und weniger Stress kann aber nur mit mehr Mut für Mittelmaß gelingen. Frei nach dem Motto – pfeiff drauf.

Deshalb entscheide auch Du Dich für das Mittelmaß und halte es lieber wie der alte Aristoteles der meinte; „Mittelmaß ist geil.. äh nein falscher Text, er sagte: „Der Sinn des menschlichen Daseins ist das Glück.“

In diesem Sinne genieße den Weg der Lebenskunst

Liebe Grüße

Karl

Hat dir dieser Artikel gefallen?

Über Karl

Hi, ich bin Karl Allmer. Als zertifizierter Fachtrainer, diplomierter Resilienztrainer und selbstständiger Unternehmer bin ich ein Spezialist in den Bereichen Stressbewältigung und Resilienz. Seit 2014 unterstütze ich Menschen mit Methoden der Stressbewältigung und Techniken aus dem Resilienztraining dabei, Ihre persönliche Widerstandsfähigkeit zu stärken.

4 Kommentare

  1. Veröffentlicht von Sabine Sudeck am 20. Januar 2019 um 21:58

    Hallo Karl, Dein Artikel ist wunderbar, ich sitze am Schreibtisch und überlege zu einem Bericht von mir was ist Mut der Einzigartigkeit und Mut zur Mittelmäßigkeit. Genau das ist es was Du schreibst. Gemäß der Statistik bla bla bla…..Allein die Quote der Krankheitsbilder von Stress und Konsorten zeigt auf, das Mut zur Einzigartigkeit nicht immer die Lösung ist. Vielen Dank LG Sabine

  2. Veröffentlicht von Thomas Ripp am 14. Juni 2017 um 22:24

    Hi Karl,

    vielen Dank für diesen offenen und ehrlichen Beitrag! Ich bin voll und ganz deiner Meinung, dass Erfolg nicht durch „rennen, rennen, rennen“ zu erreichen ist. Ich habe selbst bereits einen Artikel darüber verfasst, der dich vielleicht auch interessiert.

    Viele Grüße & nur das Beste!
    Tom

  3. Veröffentlicht von Carolin am 20. März 2017 um 12:11

    Lieber Karl,

    welch‘ erfrischender Text – hab dank für dieses Plädoyer! Du sagst es: Mittelmaß ist an vielen Stellen voll ok, und was zählt ist tatsächlich die Motivation von innen heraus, die intrinsische. Wenn Kinder eine Nische finden, ihre Nische finden, wie auch immer sie diese besetzen, ist das viel wert!
    Ich übe mich darin, mich mehr und mehr freizumachen von sehr leistungsbezogenem Denken in unserer Gesellschaft. Mir zu erlauben, mir meinen eigenen Kopp zu machen und auf bestimmte Züge schlicht nicht aufzuspringen. Und auch unserem Sohn vorzuleben, dass er eigene Wege finden und gehen kann.

    Alles Gute für dich,
    Carolin

    • Veröffentlicht von Lebenskünstler am 23. März 2017 um 23:52

      Hallo Carolin,
      herzlichen Dank für die erfrischenden Worte. Unsere Idee in die Welt zu tragen und mit guten Beispiel voran gehen finde ich super. Damit die nächste Generation gar nie auf den Zug aufspringt.
      Lg Karl

Hinterlassen Sie einen Kommentar