Über die Herausforderung im Hier und Jetzt zu leben

Hier und jetzt leben

Gastbeitrag von Jasmin von Healthy Habits: Neulich haben mein Bloggerkollege Patrick und ich unsere Leser bei Healthy Habits gefragt, was ihre größte Herausforderung im Leben ist. Daraufhin klickte ca. jeder Zweite „Ich fühle mich allgemein erschöpft“ an. In Zeiten von steigenden Burnout-Raten war das fast zu erwarten. Ich musste selbst aufgrund eines Burnouts vor einem Jahr eine Auszeit nehmen.

Mein zum Teil ebenfalls erschöpftes, persönliches Umfeld versucht im Alltag meistens irgendwie durchzuhalten, sich bis zum nächsten Urlaub zu retten oder davon zu träumen, dass irgendwann alles besser wird – im eigenen Haus, mit der nächsten Beförderung, in einem anderen Job oder mit einem Kind. Teure Wellnesstrips müssen rausreißen, was der Alltag nicht hergibt.

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Die Unfähigkeit nicht zu denken

Dabei leben wir so sicher und bequem wie kaum eine Generation vor uns. Was uns erschöpft, ist weniger die physische, sondern die psychische Belastung. Das Gedankenkarussell. Wer permanent denkt, ist irgendwann erschöpft. Die Alternative zu den unaufhörlichen Dialogen im Kopf – nicht(s) zu denken – ist uns kaum noch bewusst, schreibt Daniel Cain von Raptitude.

Auch Daniel Gilbert ("Stumbling on Happiness") sieht den permanenten Gedankenstrom als Glückshindernis. Statt mit Achtsamkeit im Hier und Jetzt zu leben, denken wir ständig an die Zukunft oder die Vergangenheit.

Während du diese Zeilen liest, rattert es wahrscheinlich auch in deinem Kopf. Du überlegst, was du heute noch erledigen oder für das kommende Wochenende klären musst. Vielleicht grübelst du auch über einen Streit von gestern oder den Autofahrer, der dir heute Morgen die Vorfahrt genommen hat.

Es ist nahezu unmöglich mit den Gedanken in der Gegenwart zu bleiben. Versuch's mal – ohne Übung wirst du kaum ein paar Sekunden durchhalten.

Vor zwei Jahren – als ich auf dem besten Weg in meine Burnout-Phase war – fiel mir das Abschalten im Urlaub sehr schwer. Ich fühlte noch den Stress der Urlaubsvorbereitung (Vergangenheit) und ahnte den Aufgabenberg nach meiner Rückkehr (Zukunft). Kaum konnte ich mich auf das Meer, den Strand und die gute Zeit konzentrieren.

Der persönliche Zeitschwerpunkt

Ich kenne niemanden, der immerzu von der Zukunft träumt und heute ein glücksseliger Mensch ist. Die Menschen, die auf mich einen glücklichen Eindruck machen, leben im Hier und Jetzt. Sie wissen die kleinen Dinge zu schätzen und bemühen sich tagtäglich um schöne Erlebnisse. Sie hoffen nicht auf irgendetwas, was irgendwann mal vielleicht passieren wird. Ihr Zeitschwerpunkt ist jetzt.

So wäre ich auch gern. Daher ist es mein Ziel mich in Achtsamkeit zu üben und meine Wahrnehmung auf das Jetzt auszurichten. Ich möchte die Gegenwart zu meinem Zeitschwerpunkt machen. Heute soll mein Fokus sein. Das widerstrebt meiner Gewohnheit, oft über weit in der Zukunft liegende Eventualitäten oder Fehler in der Vergangenheit zu grübeln.

Während ich mit Mini-Schritten an meinem eigenen Zeitschwerpunkt arbeite, beobachte ich automatisch auch mein Umfeld. Dabei sind mir Menschen mit einem verschobenen Zeitschwerpunkt aufgefallen.

Leben in der Zukunft

Manche scheinen ihren Zeitschwerpunkt auf die Zukunft zu legen:

  • Sie sehnen sich nach der nächsten Karrierestufe und einem höheren Gehalt und reden ständig davon.
  • Sie beschäftigen sich mit vielen Zukunftssorgen.
  • Sie schieben schöne Dinge immer wieder auf („im nächsten Leben“).

„In der Zukunft wird alles besser“, würden Personen mit einem Zeitschwerpunkt in der Zukunft sagen.

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Leben in der Vergangenheit

Andere leben überwiegend in der Vergangenheit, was sich in den folgenden Symptomen widerspiegelt:

  • Sie lassen ihre Kinder nicht los.
  • Sie trauern einer Beziehung, einem Job, einer Wohnung, einem Haus oder dem Studium hinterher.
  • Sie reden ständig von den guten alten Zeiten, als sie noch berufstätig, sportlich, erfolgreich, … oder DDR-Bürger waren.

„Früher war alles besser“, sagen Personen mit einem Zeitschwerpunkt in der Vergangenheit.

Es ist menschlich in Erinnerungen zu schwelgen und zu träumen. Doch bedenklich erscheint mir, wenn Menschen sich nicht auf die Gegenwart einlassen können, da sie in der Vergangenheit feststecken oder ihr Leben auf die Zukunft verschieben. Manche tun so, als würden sie ewig leben.

Die Ursache von verschobenen Zeitschwerpunkten

Es gibt zwar einen Trend hin zu mehr Achtsamkeit und einer gesunden Work-Life-Balance, doch die Mehrheit der Menschen lebt für die Zukunft – inspiriert durch Akteure, die daran verdienen oder deren Job es ist, uns auf die Zukunft vorzubereiten.

In der Grundschule lernen wir, dass die Noten über den späteren schulischen Werdegang entscheiden. Der Abiturschnitt bestimmt, welches Studium möglich sein wird. Die Praktika beeinflussen, welchen Job wir bekommen. Dann kommen die Lehrjahre, die keine Herrenjahre sind. Die gute Zeit steht immer erst später an.

Zukunftsfokussierte können inzwischen Bausparverträge und Versicherungen abschließen, Aktien kaufen, Schönheitsmittelchen verwenden und Diätpillen nehmen.

Wenn dann irgendwann die zweite Lebenshälfte angebrochen ist, rücken die guten alten Zeiten ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Wir langweilen unsere Enkel mit alten Geschichten und vergleichen alles mit früher.

Vergangenheitsliebhaber erfreuen sich an Fotobüchern, Kriegsschiffmodellen, DDR- und Anti-Aging-Produkten sowie Radiosendern für Oldie-Musik.

Achtsamkeit durch Gegenwartshelfer

Was passiert eigentlich zwischen „in Zukunft wird alles besser“ und „früher war alles besser“? Genau, wir lenken uns ab mit einer selbstinduzierten Informationsflut. Für einen Mix aus Vergangenheit und Zukunft sorgen das Internet, WLAN-Cafés, Fernsehen, Handys und Selfies. Den Moment festhalten, um später schwelgen zu können – so lautet die Devise.

Wie wäre es zur Abwechslung damit, in der Gegenwart zu bleiben, sie bewusst verstreichen zu lassen, ohne etwas festhalten und konservieren zu wollen? Es würde dir helfen den Moment zu genießen, wenn du schon mal im Urlaub bist. Einmal nicht deinen Sorgen hinterherrennen. Dafür mehr Energie aus Pausen schöpfen.

Sicher kann sich niemand dem technischen Fortschritt entziehen oder verhindern, dass sein Zeitschwerpunkt im Laufe des Lebens wandert. Doch immerhin können wir unser Bewusstsein dafür stärken, dass die meisten Angebote unserer Zeit nicht gerade Gegenwartshelfer sind.

Hier und jetzt lebenUm mehr Achtsamkeit für die Gegenwart muss sich jeder selbst bemühen. Es gibt viele Gelegenheiten dafür, selten sind sie käuflich zu erwerben:

  • Ein Treffen mit Freunden
  • Ein gutes Gespräch
  • Ein gutes Essen
  • Ein Stündchen für sich (mit Entspannungsmusik o. ä.)
  • Lesen
  • Sport
  • Musizieren
  • Eine Massage
  • Yoga und Meditation
  • Atem- und Entspannungsübungen

Manche Menschen können auch während der Hausarbeit Achtsamkeit üben. Dazu hat Karl bereits einen Selbstversuch beschrieben.

Ich kann besonders gut im Gespräch mit Freunden sowie beim Bootcamp-Training in der Gegenwart bleiben. Die ständigen Ansagen und die Konzentration auf die Übungen verhindern, dass meine Gedanken abschweifen. Am schwersten fällt mir das Abschalten jedoch abends vorm Schlafen, besonders an Sonntagabenden.

Ich versuche dann einen Tipp aus dem Raptitude-Artikel How to stop your mind from talking all the time zu beherzigen: die Gedanken zurück zu etwas Physischem zu holen, z. B. indem ich mich auf meine Füße und die Entspannung der Muskeln konzentriere.

Falls du dich wie unsere Leser erschöpft fühlst, versuche deinen Fokus häufiger auf das Heute, das Hier und Jetzt, zu richten. Übe dich in Achtsamkeit – möglichst jeden Tag. Warte nicht bis zum nächsten Urlaub, bis du befördert wirst oder endlich die Summe X gespart hast! Die Idee des Carpe diem ist schließlich schon über 2.000 Jahre alt.


jasmin

Über mich: "Jasmin Schindler ist Bloggerin und beschäftigt sich seit einigen Jahren mit gesunder Ernährung, Bewegung und einer gesunden Lebensweise. Auf Healthy Habits schreibt sie zusammen mit Patrick Hundt über gesunde Gewohnheiten. Die beiden lassen dich teilhaben an ihrem Weg zum gesunden Gewohnheitstier sowie an den Fortschritten und Rückschlägen bei dem Versuch, ein gesundes Leben zu führen. Dabei möchten sie dir helfen, gesunde Gewohnheiten in den Alltag zu integrieren.
Photo = https://stocksnap.io/

 

 

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Über Karl

Hi, ich bin Karl Allmer. Als zertifizierter Fachtrainer, diplomierter Resilienztrainer und selbstständiger Unternehmer bin ich ein Spezialist in den Bereichen Stressbewältigung und Resilienz. Seit 2014 unterstütze ich Menschen mit Methoden der Stressbewältigung und Techniken aus dem Resilienztraining dabei, Ihre persönliche Widerstandsfähigkeit zu stärken.

2 Kommentare

  1. Veröffentlicht von Jasmin am 22. Juli 2015 um 9:40

    Hey Jan,

    wahrscheinlich fällt das Unfokussiertsein schwer. Zu schnell schweifen die Gedanken wieder ab. Daher wird empfohlen sich auf diese eine Sache zu fokussieren, die man gerade macht (abwaschen oder daliegen oder atmen). Ich denke, das ist wie beim Meditieren: bewusst an nichts zu denken, klappt erst mit viel Übung. Also im Hier und Jetzt unfokussiert zu sein schaffe ich wahrscheinlich erst, wenn ich lange genug geübt habe mich auf nur eine Sache zu fokussieren. Das ist schwer genug 🙂
    VG Jasmin

  2. Veröffentlicht von Jan am 21. Juli 2015 um 14:43

    Hallo Jasmin,

    worum geht es bei dieser Sache mit dem „hier und jetzt“ eigentlich? Geht es darum, sich auf das hier und jetzt zu FOKUSSIEREN, oder geht es darum, im hier und jetzt UNFOKUSSIERT zu sein?

    Die innere Stimme zu beruhigen heißt ja eigentlich, dass man unfokussiert ist, aber bei der Achtsamkeistübung übt man doch das Fokussieren.

    Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich das richtig verstanden haben.

    Viele Grüße, Jan

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